Artikel von Andrea Gallien, veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der Badischen Zeitung vom 29. Mai 2010
"Sicher ist, dass hier was war"
Mit Hilfe des Bauhofs haben vier Rentner die Streicher-Kapelle in Ehrenstetten saniert / Wenig ist über deren Geschichte bekannt.
Bürgermeister Thomas Breig, Erich Ritter, Josef Nußbaumer, Albert Steiert, Emil Leimgruber, Max Knörr, Georg Weiß und Norbert Legelli
Foto: Andrea Gallien
EHRENKIRCHEN. Wanderer, die regelmäßig im Ehrenstetter Grund unterwegs sind, kennen sie, die Streicher-Kapelle. All denen, die dort noch nicht waren, sei sie als Ziel, vielleicht eines Ausflugs jetzt in den Pfingstferien, ans Herz gelegt. Am Rand einer großen Wiese und nahe des Ahbachs gelegen, strahlt die Kapelle nun auch in neuem Glanz. Den hat sie dem Engagement von vier Rentnern aus Ehrenstetten und Mitarbeitern des Bauhofs zu verdanken.
"Jetzt fangen wir mal an", sagten sich Anfang April Josef Nußbaumer, Georg Weiß, Erich Ritter und Emil Leimgruber und machten sich auf den Weg zur Streicher-Kapelle im Ehrenstetter Grund. Seit Menschengedenken haben sich immer wieder Bürger aus Ehrenstetten um die Sanierung der Kapelle gekümmert, sagt Bürgermeister Thomas Breig, der sich darüber freut, dass diese Tradition von den vier Rentnern fortgesetzt wird.
Und das nicht nur an der Streicher-Kapelle. Die vier, die Thomas Breig auch schon mal anerkennend "Rentnertrupp" nennt, sind ein bewährtes Team. Die Sanierung des Stationenweges zur Ölbergkapelle verdankt die Gemeinde ihnen ebenso wie die Instandhaltung von Feldkreuzen in den Reben. Emil Leimgruber kümmert sich auch um die Mariengrotte unterhalb der Streicher-Kapelle. Schlecht habe die Kapelle von außen ausgesehen, sagt Erich Ritter, hinten war die Wand feucht, das Dach auf der Schattenseite voll Moos. Das ist jetzt Vergangenheit. Die vier wollen nicht sagen, wie viele Stunden sie gearbeitet haben – "Wir sind Rentner, wir schreiben keine Stunden auf".
Hätten sie es getan, wären schon einige Duzend zusammengekommen: Das Dach ist vom Moos befreit, um die Kapelle ist eine Drainage gelegt, die künftig vor feuchten Wänden schützen soll, die Eichentür am Eingang der Kapelle ist abgeschliffen und neu geölt, die Bänke innen geschrubbt. Der Innenraum sei dunkel gewesen wie eine Höhle vom Ruß der Kerzen. Jetzt ist er neu und hell gestrichen mit einem roten Sockel ("der wurde mit jedem Mal streichen immer dunkler"). Der Putz an der Außenwand war noch einwandfrei, er wurde mit Hochdruckreiniger gesäubert, getrocknet und ebenfalls frisch gestrichen – mit sandgelber Farbe, so wie von Architekt Richard Stoll vorgeschlagen. Zwei Pfosten, die unbeachtet hinter der Kapelle lagen, stehen jetzt am Fuß der Treppe zur Tür, Rasen ist neu gesät und einige Pflanzen – Spenden von Bürgern – sind eingepflanzt.
Tatkräftig unterstützt wurden die vier von den Bauhofmitarbeitern Max Knörr und Albert Steiert. Das Baumaterial zahlte die Gemeinde. Was noch aussteht sind ide Stuckarbeiten an der Decke der Kapelle. Hierfür ist auch schon Unterstützung in Aussicht. Die Arbeiten an der Streicher-Kapelle fanden auch bei einigen Bürgern Beachtung. Sie brachten Vesper vorbei und luden die ehrenamtlich Tätigen zu einem Mittagessen ein. Unterstützung kam auch von Agnes Schneckenburger, die sich seit Jahren um den Blumenschmuck in der Kapelle kümmert.
Sehr erleichtert über den Fortschritt der Bauarbeiten war eine junge Frau, die bei einem Besuch der Kapelle über die fehlenden Bänke erschrocken war. Sie und ihr Bräutigam hatten sich die Kapelle nämlich als Ort für ihre Hochzeit ausgeguckt und konnten diese nun auch feiern, in der in neuem Glanz strahlenden Kapelle. Gerne werde die Streicher-Kapelle, die Platz für rund 20 Menschen bietet, von Brautpaaren als Hochzeitsplatz ausgesucht, sagt Norbert Legelli, früherer Schulleiter und Kenner der Heimatgeschichte. Interessenten verweist er an das katholische Pfarramt in Ehrenstetten.
Wenig, sagt Norbert Legelli, ist über die Geschichte der Streicher-Kapelle bekannt. Bereits 1554, hat Ehrenstettens früherer Pfarrer Karl Boll herausgefunden, ist sie als "Streichen Cäppelin" urkundlich erwähnt, der jetzige Bau stammt vermutlich aus dem Jahr 1764. Die Inschrift über der Tür ist ein Hinweis hierfür. Auf alten Karten sei eine Wüstung eingezeichnet, eine kleine Siedlung. Im nahe gelegenen Wald weisen terrassierte Flächen auf eine alte Nutzung des Geländes als kleine Äcker hin. "Sicher ist, dass hier was war", sagt Legelli, "es kann sein, dass die Kapelle der Rest einer abgegangenen Siedlung ist." Sie stand möglicherweise im Zusammenhang mit dem Bergbau, der im Ehrenstetter Grund vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert betrieben wurde. Ein Rutengänger, so Legelli, habe festgestellt, dass die Kapelle exakt auf der Kreuzung von Erdstrahlen liege. Keine Erklärung gibt es für die Hausnummer 6 über dem Eingang.
An die jüngere Geschichte der Kapelle können sich Norbert Legelli, Josef Nußbaumer, Georg Weiß, Erich Ritter und Emil Leimgruber selber noch gut erinnern. "Es war eine wunderschöne Zeit für uns Buben" so Legelli, als in der 50er Jahren die Bauern im Herbst die Tiere auf die Wiese trieben, als dort kleine Fest gefeiert wurden. Überliefert ist auch der Absturz eines Fliegers unweit der Kapelle im Wald – in den 50er Jahren. Das genaue Datum wissen sie nicht, sicher ist aber, "es war im letzten Maikäferjahr".
Sicher ist auch nicht die Geschichte mit dem Pferd, aber sie hält sich hartnäckig: Ein Pferd soll von der Wiese aus in die Kapelle gelaufen sein, die Tür schlug hinter ihm zu und das Pferd verhungerte. Und dann soll es in der Kapelle auch noch gespukt haben. Das zumindest hat der Großvater von Albert Steiert erzählt. . .
|