Der 18. Juni 1633 in Kirchhofen
Wir schreiben das Jahr 1633. Seit 15 Jahren herrscht Krieg in Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, und dieser Krieg wird noch weitere 15 Jahre fortdauern. Später wird man ihn den 30-jährigen Krieg nennen. Anfangs war dieser Krieg eine Krieg zwischen Landesherren im Reich, der sich an konfessionellen Gegensätzen zwischen den evangelisch-protestantischen Landesherren und den katholischen Fürsten, angeführt vom habsburgischen deutschen Kaiser, entzündet hatte. Je länger der Krieg aber andauerte, desto mehr griffen auch andere europäische Mächte ein, wie Schweden und Frankreich.
Im erstem Jahrzehnt des Krieges war der Süden des Reiches, und damit auch unsere Heimat hier, noch weitgehend verschont geblieben. Das änderte sich aber 1632. Die Schweden waren 1630 in Pommern gelandet. 1632 verlagerte sich das Kriegsgeschehen in den Süden, und auch das Oberrhein- und Hochrheingebiet bis zum Bodensee wurden Kriegsgebiet.
Freiburg und seine Umgebung mit Breisach und Kirchhofen gehörten zu dieser Zeit zu Vorderöstereich, waren also Teil des Habsburgerreiches, mit anderen Worten Gebiet des Kaisers und katholisch. Das Markgräflerland sowie einige Orte süd-westlich von Freiburg, nämlich Mengen, Schallstadt, Wolfenweiler, Tiengen und Opfingen, gehörten zur Markgrafschaft Baden-Durlach und waren evangelisch.
Am 29. Dezember 1632 besetzten die Schweden mit ihren Verbündeten Freiburg. Die habsburgischen Truppen zogen sich in die Festung Breisach zurück. Auch Kirchhofen mit seinem Wasserschloß blieb in habsburgischer Hand und wurde in den Folgemonaten neben Breisach zu einem Zentrum des Widerstands gegen die aus Freiburg operierenden schwedischen Truppen. Herr von Kirchhofen war der Oberst Franz Hannibal von Schauenburg. Dieser Oberst wurde am 1. April 1633 zum Oberbefehlshaber der habsburgischen Truppen in unserer Region und zum Kommandeur der Festung Breisach ernannt. Damit waren natürlich Kirchhofen und dieses Schloss, der Besitz des Obersten, erst recht zum Ziel der Schweden geworden. Offenbar waren hier einige hundert Soldaten stationiert, dazu kamen mehrere hundert Bauern aus den umliegenden katholischen Orten, die wohl zumindest teilweise militärisch ausgebildet wurden.
In den Monaten zwischen Januar und Juni 1633 spitzte sich die Lage immer mehr zu. Es kam immer wieder zu kleineren Gefechten zwischen habsburgischen und schwedischen Truppen. Aber offenbar nahm auch die einheimische Bevölkerung an diesen Aktionen teil. Aus zeitgenössischen Berichten können wir folgern, dass im Frühjahr 1633 zwischen benachbarten Orten, ja zwischen vorher befreundeten Familien, ein erbitterter Krieg geführt wurde, im Zeichen des Faustrechts. Konkret heißt das: Die evangelisch / markgräflichen Orte Mengen, Schallstadt, Wolfenweiler, Tiengen und Opfingen standen den katholisch / habsburgischen Orten Kirchhofen, Staufen, Munzingen, Pfaffenweiler und St. Georgen gegenüber, und es muss wohl auf beiden Seiten Schlimmes passiert sein.
In dieser Situation kam es dann zu der Aktion der Schweden gegen Kirchhofen. Am 17. Juni zogen 3000 Mann mit schwerem Geschütz vor Kirchhofen und dem Schloss auf, und am Abend des nächsten Tages, einem Samstag, waren Dorf und Schloss sturmreif geschossen. Die Besatzung ergab sich und die regulären Soldaten wurde gefangengenommen. Die Zivilisten aber, Männer, Frauen und Kinder, wurden massakriert. Sie galten als Aufständische, die nach dem Kriegsrecht als Rebellen angesehen wurden und keine Gnade verdienten.
Es muss grauenhaft gewesen sein, was sich da hier in der Umgebung des Schlosses und im Ort abspielte. Häuser und Scheunen wurden niedergebrannt, die Kirche wurde angezündet und Menschen, die auf den Dachstuhl der Kirche und auf den Turm geflüchtet waren, kamen in den Flammen um oder sprangen in den Tod. Eine kleine Inschrift hinter dem Altar der Kirche spricht von „300 Bauersleit, die totgeschlagen wurden, darunter 89 von Pfaffen-und Öhlensschweiler“.
Der Samstag, an dem dieses Massaker stattfand, war der Samstag vor dem 5. Sonntag nach Pfingsten. Laut Professor Hugo Ott, stand die Sonntagsliturgie an diesem Tag des Jahres 1633 unter dem Zeichen der Versöhung. In der Lesung aus dem 1. Petrusbrief, heißt es unter anderem:
„Endlich aber: Seid alle eines Sinnes, voll Mitgefühl und brüderlicher Liebe, seid barmherzig und demütig. Vergeltet nicht Böses mit Bösem, noch Kränkung mit Kränkung. Statt dessen segnet; denn ihr seid dazu berufen, Segen zu erlangen.“
Hier zeigt sich der ganze Widersinn dessen, was sich in Kirchhofen vor jetzt 384 Jahren abgespielt hat. Und das angeblich im Namen Christi und des Evangeliums, denn darauf haben sich ja alle berufen, die an den Ereignissen beteiligt waren, ob sie nun katholisch oder evangelisch waren.
Quelle: Hugo Ott. Zum Gedenken an den 18. Juni 1633 in Kirchhofen. In: Festschrift der Gemeinde Ehrenkirchen, 1983.
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